Hätt Einer auch fast mehr Verstand, Als wie die drei Weisen aus Morgenland, Und ließe sich dünken, er wär wohl nie Dem Sternlein nachgereist, wie sie; Dennoch, wenn nun das Weihnachtsfest Seine Lichtlein wonniglich scheinen läßt, Fällt auch auf sein verständig Gesicht, Er mag es merken oder nicht, Ein freundlicher Strahl Des Wundersternes von dazumal.
Mein Büdelein Is noch so tlein, Is noch so dumm, Ein ames Wum, Muß tille liegen In seine Wiegen Und hat noch keine Hos'. Ätsch, ätsch! Und ich bin schon so goß.
In Tours, zu Martin Bischofs Zeit, Gab's Krüppel viel und Bettelleut. Darunter auch ein Ehepaar, Was glücklich und zufrieden war. Er, sonst gesund, war blind und stumm; Sie sehend, aber lahm und krumm An jedem Glied, bis auf die Zunge Und eine unverletzte Lunge. Das paßte schön. Sie reitet ihn Und, selbstverständlich, leitet ihn Als ein geduldig Sattelthier, Sie obenauf, er unter ihr, Ganz einfach mit geringer Müh, Bloß durch die Worte Hott und Hüh, Bald so bald so, vor allen Dingen Dahin, wo grad die Leute gingen. Fast Jeder, der's noch nicht gesehn, Bleibt unwillkürlich stille stehn, Ruft: »Liebergott, was ist denn das?« Greift in den Sack, giebt ihnen Was Und denkt noch lange gern und heiter An dieses Roß und diesen Reiter. [10]So hätten denn gewiß die zwei Durch fortgesetzte Bettelei, Vereint in solcherlei Gestalt, Auch ferner ihren Unterhalt, Ja, ein Vermögen, sich erworben, Wär' Bischof Martin nicht gestorben. Als dieser nun gestorben war, Legt man ihn auf die Todtenbahr Und thät' ihn unter Weheklagen Fein langsam nach dem Dome tragen Zu seiner wohlverdienten Ruh. Und sieh, ein Wunder trug sich zu. Da, wo der Zug vorüber kam, Wer irgend blind, wer irgend lahm, Der fühlte sich sogleich genesen, Als ob er niemals krank gewesen. Oh, wie erschrak die lahme Frau! Von weitem schon sah sie's genau, Weil sie hoch oben, wie gewohnt, Auf des Gemahles Rücken thront. »Lauf, rief sie, laufe schnell von hinnen, Damit wir noch beizeit entrinnen.« Er läuft, er stößt an einen Stein, Er fällt und bricht beinah ein Bein. Die Prozession ist auch schon da. Sie zieht vorbei. Der Blinde sah, Die Lahme, ebenfalls kuriert, Kann gehn, als wie mit Öl geschmiert, Und beide sind wie neu geboren Und kratzen sich verdutzt die Ohren. [11]Jetzt fragt es sich: Was aber nun? Wer leben will, der muß was thun. Denn wer kein Geld sein eigen nennt Und hat zum Betteln kein Talent Und hält zum Stehlen sich zu fein Und mag auch nicht im Kloster sein, Der ist fürwahr nicht zu beneiden. Das überlegten sich die Beiden. Sie, sehr begabt, wird eine fesche Gesuchte Plätterin der Wäsche. Er, mehr beschränkt, nahm eine Axt Und spaltet Klötze, daß es knackst, Von morgens früh bis in die Nacht. Das hat Sankt Martin gut gemacht.
Die Bäume hören auf zu blühn, Mein Schatz will in die Fremde ziehn; Mein Schatz der sprach ein bittres Wort: Du bleibst nun hier, aber ich muß fort.
Leb wohl, mein Schatz, ich bleib dir treu, Wo du auch bist, wo ich auch sei. Bei Regen und bei Sonnenschein, So lang ich lebe, gedenk ich dein.
So lang ich lebe, lieb ich dich, Und wenn ich sterbe, bet für mich, Und wenn du kommst zu meinem Grab, So denk, daß ich dich geliebet hab.
Einst in München geschrieben als Ergänzung zu der letzten
Strophe, die Freund Krempelsetzer, der das Ganze componirte
aus dem Volksmunde behalten hatte.
In einem Winkel, genannt die Butze, Wo allerlei Kram, Der nichts mehr nutze, Zusammenkam; Bei alten Hüten, alten Vasen, Bei Töpfen, ohne Henkel und Nasen, Befand sich ein Reiterstiefel auch, Jetzt nur noch ein faltiger Lederschlauch. Großmächtig hat er das Wort geführt Und ganz gewaltiglich renommirt: »Ha, damals! Ich und mein Kamerad! Immer fein gewichst von hinten und vorn, Blitzblank der Sporn, Durch die Straßen geklirrt, Alle Herzen verwirrt, Es war ein Staat! Hurrah, der Krieg, Maustodt oder Sieg! Unser Herr Leutenant, Schneidig, Schwert in der Hand; Doch hätt ich nicht gespornt sein Pferd, Verloren wär die Schlacht von Wörth.« [15]In dem Moment, zu aller Schrecke, Trat plötzlich hervor aus seiner Ecke Ein strammer Reiserbesen. »Hinaus! rief er, du alter Renommist! Was schert es uns, was du gewesen; Wir sehen, was du bist!« – Ein Schubbs. Ein Schwung. Der Stiefel liegt draußen auf dem Dung.
Du bist nervös. Drum lies doch mal Das Buch, das man dir anempfahl. Es ist beinah, wie eine Reise Im alten wohlbekannten Gleise. Der Weg ist grad und flach das Land, Rechts, links und unten nichts wie Sand. Kein Räderlärm verbittert dich, Kein harter Stoß erschüttert dich, Und bald umfängt dich sanft und kühl Ein Kaumvorhandenseinsgefühl. Du bist behaglich eingenickt. Dann, wenn du angenehm erquickt, Kehrst du beim »stillen Wirthe« ein. Da giebt es weder Bier noch Wein. Du schlürfst ein wenig Äpfelmost, Ißt eine leichte Löffelkost Mit wenig Fett und vieler Grütze, Gehst früh zu Bett in spitzer Mütze Und trinkst zuletzt ein Gläschen Wasser. Schlaf wohl, und segne den Verfasser!
Fritz war ein kecker Junge Und sehr geläufig mit der Zunge. Einstmals ist er beim Ährenlesen Draußen im Felde gewesen, Wo die Weizengarben, je zu zehn, Wie Häuslein in der Reihe stehn. Ein Wetter zog herauf. Da heißt es: Lauf! Und flink, wie ein Mäuslein Schlüpft er in's nächste Halmenhäuslein. Krach! – Potztausendnochmal! Dicht daneben zündet der Wetterstrahl. Ätsch! rief der Junge, der nicht bange, Und streckt die Zunge aus, die lange: Fehlgeschossen, Herr Blitz! Hier saß der Fritz!
Er 'hört, als eines von den Lichtern, Die höher stets und höher steigen, Bereits zu unsern besten Dichtern, Das läßt sich leider nicht verschweigen.
Was weiß man von den Sittenrichtern? – Er lebt von seiner Frau geschieden, Hat Schulden, ist nicht immer nüchtern – Aha, jetzt sind wir schon zufrieden!
Es kamen mal zwei Knaben An einen breiten Graben. Der erste sprang hinüber, Schlankweg je ehr je lieber. War das nicht keck? Der zweite, fein besonnen, Eh er das Werk begonnen, Sprang in den Dreck.
Geboren ward er ohne Wehen Bei Leuten, die mit Geld versehen. Er schwänzt die Schule, lernt nicht viel, Hat Glück bei Weibern und im Spiel, Nimmt eine Frau sich, eine schöne, Erzeugt mit ihr zwei kluge Söhne, Hat Appetit, kriegt einen Bauch, Und einen Orden kriegt er auch, Und stirbt, nachdem er aufgespeichert Ein paar Milliönchen, hochbetagt; Obgleich ein jeder weiß und sagt: Er war mit Dummerjan geräuchert!
Papa, nicht wahr, Im nächsten Jahr, Wenn ich erst groß Und lesen kann und schreiben kann, Dann krieg ich einen hübschen Mann Mit einer Ticktackuhr An einer goldnen Schnur. Der nimmt mich auf den Schooß Und sagt zu mir: Mein Engel, Und giebt mir Zuckerkrengel Und Kuchen und Pasteten. Nicht wahr, Papa? Der Vater brummt: Na na, Was ist das für Gefabel. Die Vögel, die dann flöten, Die haben noch keinen Schnabel.
Sehr schlecht befand sich Mutter Klöhn. Sie kann nicht gehn, Ist krumm und lahm Und liegt zubett und rührt sich nicht. Seit zwanzig Jahren hat sie schon die Gicht. Herr Küster Bötel, welcher häufig kam, Um gute Bessrung ihr zu wünschen, Erzählt ihr auch des weitern, Um sie ein wenig zu erheitern, Die Mordgeschichte, die man jüngst verbrochen. Ja, denken Sie nur mal, Der Präsident von Frankreich ist erstochen Von einem Strolch Mit einem Dolch. Ist das nicht ein Skandal? Oh, Lü und Kinners, rief sie voller Graun, Wat gift et doch vär Minschen. Sau wat könn eck doch nich e daun!! Herr Bötel sprach und sah sie freundlich an: Dies Wort von Ihnen mag ich leiden. Ein guter Mensch ist niemals unbescheiden Und thut nicht mehr als was er kann. Adieu, Frau Klöhn! Auf fröhlich Wiedersehn!
Mitunter schwitzen muß der Schreiner, Er stößt auf manchen harten Ast. So geht es auch, wenn unsereiner Sich mit der Grübelei befaßt. Zum Glück hat meine gute Frau, Die liebevoll an alles denkt, Mir einen kleinen Fritz geschenkt, Denn oft erfreut mich dieser Knabe Durch seinen kindlichen Radau, Wenn ich so meine Schrullen habe. Heut mittag gab es wieder mal Mein Leibgericht, gespickten Aal, Und wie ich dann zur Körperpflege, Die Weste auf, die Augen zu, Die Hände friedlich auf dem Magen Im Polsterstuhl mich niederlege, Oh weh, ein Schwarm von dummen Fragen Verscheucht die heißersehnte Ruh. Ach, wird es mir denn niemals klar, Wo ich gewesen, eh ich war? Schwamm ich, verkrümelt in Atome, Gedankenlos im Wirbelstrome, [75]Bis ich am Ende mich verdichtet Zu einer denkenden Person? Und jetzt, was hab ich ausgerichtet? Was war der Mühe karger Lohn? Das Geld ist rar, die Kurse sinken, Dagegen steigt der Preis der Schinken. Fast jeden Morgen klagt die Mutter: Ach Herr, wie theuer ist die Butter! Ja, selbst der Vater wird gerührt, Wenn er sein kleines Brödchen schmiert. Und doch, trotz dieser Seelenleiden, Will keiner gern von hinnen scheiden. Wer weiß? Ei sieh, wer kommt denn da? Hallo, der Fritz! Nun wird es heiter, Nun machen wir den Eselreiter. Flugs stell ich mich auf alle Viere, Indem ich auf und ab marschiere, Und rufe kräftig mein Ih – ah! Vor Wähligkeit und Uebermuth. Ih – ah! Die Welt ist nicht so übel. Wozu das närrische Gegrübel? Ich bin Papa, und damit gut.
Surre surre surre! Mein gutes Rädchen schnurre! Für unser kleines Kätchen Dreh mir ein feines Fädchen So lang von hier bis Köllen Wohl mehr als tausend Ellen. Wir wollen es winden Und Docken von binden, Meister Weber es geben, Soll Leinen uns weben, Das breiten wir beide Auf blumige Heide Auf Anger und Wiesen Und wollen es sonnen Benetzen und gießen Aus Bächen und Bronnen. Ach, komm du lieber Sonnenschein Und bleiche unser Leinen rein. Dann kriegt mein Herzenstäubchen Wohl manch ein feines Hemd Und Tüchlein oder Häubchen, Bis daß der Freier kömmt. [84]Schön guten Tag, Herr Freiersmann! Was schaut er so mein Kätchen an? Das Kätchen geben wir nicht her, Und wenn's für Tausend Thaler wär. Ei, Mutter, nur nicht gleich geschmält! Den hübschen jungen Knaben Den will und muß ich haben; Den Krauskopf, den Krauskopf Hab ich mir auserwählt. Und willst du denn ein Bräutchen sein, So geb ich meinen Segen drein. So manches Blümlein wachsen mag Von Ostern bis Michelistag, So manches Körnlein, als man sät, So mancher Halm in Aehren steht, So vielmal Gutes wünsch ich dir Aus meines Herzens Grund herfür. Und wenn die Pfeifen klingen, Dann tanzen wir und springen; Dann spring ich wohl und tanz ich Von Danzig bis nach Nanzig – Knipp knapp! Da reißt mein Faden ab!
Lauschend am Fenster sitzt der Poet. – Draußen die Blumen und Pflänzchen Halten ihr Abendkränzchen Auf dem Gartenbeet. Der Mond in Silberlivree, Leise geschäftig, Kredenzt den Thau, den Blüthenthee, Anregend und kräftig. Und von Kelch zu Kelche Geht ein Geflüster: Also morgen ist er!
Frau Ehrenpreis (Veronika).
Ja, morgen feiert sie Ihren werthen Entsprießungstag –
Man weiß, man weiß! Die gute Frau Ehrenpreis Muß immer loben. Und doch hat unser Röschen, das feine Allerlei kleine Grillen und Räupchen Unter dem zierlichen Häubchen.
Gänseblümchen.
Oh wie reizend!
Distel.
Bald steht sie da so mildiglich Und senkt die Blätter, Bald rüttelt, schüttelt und spreizt sie sich, Je nach dem Wetter.
– – Federnelke, die wundersame, So lautet ihr holder botanischer Name. Vielleicht läßt sie sich freundlich erweichen Und schreibt und dichtet ein Billet, Duftend, geistvoll und nett. Das möge dann die dienende Biene, Unsere süße geflügelte Schleckerkathrine, Hinschwebend im frühesten Morgenwind, Dem hohen Geburtstagskind Ehrfurchtsvoll sumsend überreichen.
Gänseblümchen.
Oh wie reizend!
Federnelke (schreibt und liest).
»Veredelte Rose und Nachbarin! »Nehmet dies Brieflein gnädig hin, »Sintemalen dasselbe geschrieben »Von allerlei Pflanzen, welche Euch lieben. »Verleihe der Himmel Euer Gnaden »Beständig ein sanftes Sonnenlicht »Und frischen Thau und meinetwegen »Auch hie und da ein wenig Regen, »Nur Sturmwind nicht, »Denn dieser thut der Schönheit Schaden. »Ergebenst mit Herz und Honigmund »Das Blumenkränzchen: Tugendbund.«
Ein Röslein war gar nicht munter, Weil es im Topfe stand, Sah immer traurig hinunter Auf die Blumen im freien Land. Die Blumen nicken und winken. Wie ist es im Freien so schön Zu tanzen und Thau zu trinken Bei lustigem Windeswehn. Von bunten Schmetterlingen Umgaukelt, geschmeichelt, geküßt; Dazwischen der Vöglein Singen Anmuthig zu hören ist. Wir preisen dich und loben Dich, fröhliche Sommerzeit; Ach, Röslein am Fenster droben Du thust uns auch gar zu leid. Da ist ins Land gekommen Der Winter mit seiner Noth. In Schnee und Frost verklommen Die Blumen sind alle todt. Ein Mägdlein hört es stürmen, Macht fest das Fenster zu. Jetzt will ich dich pflegen und schirmen, Du liebes Röslein du.
Der Thürmer steht auf hohem Söller Und raucht sein Pfeifchen echten Kneller, Wobei der alte Invalid Von oben her die Welt besieht. Es kommt der Sommer allgemach. Die Schwalben fliegen um das Dach, Derweil schon manche stillbeglückt Im Neste sitzt und fleißig drückt. Zugleich tritt aus dem Gotteshaus Ein neuvermähltes Paar heraus, Das darf sich nun in allen Ehren Getreulich lieben und vermehren. – Der Sommer kam, und allenthalben Schwebt ungezählt das Heer der Schwalben, Die, wenn sie flink vorüberflitzen, Des Thürmers alten Hut beschmitzen. Vom Platze unten tönt Juchhei, Die Klosterschüler haben frei, Sie necken, schrecken, jagen sich, Sie schlagen und vertragen sich Und grüßen keck mit Hohngelächter Des Thurmes hochgestellten Wächter. – [94]Der Sommer ging, die Schwalben setzen Sich auf das Kirchendach und schwätzen. Sie warten, bis der Abend da, Dann flogen sie nach Afrika. Doch unten, wo die Fackeln scheinen, Begraben sie mal wieder Einen Und singen ihm nach frommer Weise Ein Lebewohl zur letzten Reise. Bedenklich schaut der Thürmer drein. Still geht er in sein Kämmerlein Zu seinem großen Deckelkrug, Und als die Glocke zehne schlug, Nahm er das Horn mit frischem Muth Und blies ein kräftiges Tuhuht.
Haß, als minus und vergebens, Wird vom Leben abgeschrieben. Positiv im Buch des Lebens Steht verzeichnet nur das Lieben. Ob ein Minus oder Plus Uns verblieben, zeigt der Schluß.
Von diesem Buche ist zugleich mit dieser Ausgabe auch
eine Luxusausgabe
in 1200 numerirten Exemplaren erschienen.
Sie ist auf handgeschöpftes Büttenpapier gedruckt, in
Leder gebunden und kostet Mk. 8.–.
Im September 1908 erschien im gleichen Verlage:
»Hernach«
von
Wilhelm Busch.
Ein stattlicher Band mit 95 zum Theil farbigen Zeichnungen
nebst Versen.
A.Facsimile-Ausgabe in 1000 numerirten Exemplaren,
die Zeichnungen in Lichtdruck, die Texte in des Dichters
Handschrift reproduzirt, auf 60 Cartons gelegt. Gebunden
in Kalbleder
Preis Mk. 16.–.
B.Gewöhnliche Ausgabe, in Buchdruck hergestellt
auf starkem, getöntem Papier. In Leinwand gebunden